Wilhelm Boeck


Am Kunsthistorischen Institut war Wilhelm Boeck (*21.05.1908, †06.07.1998) der erste, dessen Stelle ausdrücklich dem „Sondergebiet der Kunst des 20. Jahrhunderts“ gewidmet war. Bereits in einem Brief, in dem Georg Weise der Philosophischen Fakultät 1947 vorschlägt, Boeck zum außerplanmäßigen Professor zu ernennen, werden dessen „Bemühungen um die Einführung in das Verständnis der modernen Kunst“ hervorgehoben. Auch bei späteren Beförderungsanträgen sind es seine „Arbeiten und Vorlesungen zur zeitgenössischen Kunst“ (Hubert Schrade, 1961), die man wiederholt herausstellt. 1966 ist es dann soweit: Wilhelm Boeck wird Wissenschaftlicher Rat für den Bereich Kunst der Gegenwart. Dabei hatte sich Boeck zu Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere inhaltlich ganz anders ausgerichtet. 1930 promovierte er mit einer Arbeit über Stilmerkmale italienischer Renaissance-Malerei, 1940 erfolgte die Habilitation mit einer Monografie über Paolo Uccello und an das Tübinger Institut kam er 1941, um ein Forschungsprojekt zur schwäbischen Barockplastik durchzuführen. Kurze Zeit nach dem Ende der NS-Herrschaft begann Boeck allerdings damit, Diskussionsabende zu Themen der modernen Kunst zu veranstalten (1946–1951).

Ab dem Wintersemester 1946/47 spiegelt sich sein Interesse auch in der Lehre wider, etwa in Veranstaltungen zur Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts, zur Skulptur seit Rodin oder über „Maßstäbe der Beurteilung zeitgenössischer Kunstwerke“. Er diskutierte mit seinen Studierenden das „Für und Wider die moderne Kunst“ und bemühte sich, bestehende Vorbehalte auszuräumen. In diesem Zusammenhang ist es besonders bemerkenswert, dass Boeck 1949 das Studentenstudio für moderne Kunst initiierte, das er bis 1955 leitete. Jenseits der regulären Lehre bot diese Plattform den Studierenden die Möglichkeit, sich mit den Herausforderungen zeitgenössischer Kunstproduktion vertraut zu machen – und dies vor allem durch kuratorische Erfahrungen: So wurden zahlreiche Ausstellungen zur Graphik und Malerei der Gegenwart in der Universitätsbibliothek organisiert. Boeck war ab 1947 zudem Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Freunde des Tübinger Kunstgebäudes e.V. und generell als Ausstellungsmacher für regionale Kunstinstitutionen aktiv. Nicht zuletzt legte er 1955 mit seiner umfangreichen Monografie eine der ersten kunstwissenschaftlichen Publikationen über Pablo Picasso vor, ein Thema, das er im Wintersemester 1951/52 bereits in seiner Vorlesung „Picasso und die Kunst des 20. Jahrhunderts“ in Tübingen präsentierte. Wilhelm Boeck war von 1941 bis 1972 am Institut tätig; zu seinen Schülern zählt unter anderem Manfred Schneckenburger, der bei Boeck promovierte und 1977 sowie 1987 die documenta in Kassel kuratierte.

Verwandte Themen
Personalbogen Boeck Vom Diätendozent zum Wissenschaftlichen Rat. Boeck war 30 Jahre am Institut tätig und der erste, dessen Stelle dezidiert der „Kunst der Gegenwart“ gewidmet war. | Personalbogen, circa 1960er Jahre UAT 193/1854
Portrait Boeck Wilhelm Boeck mit Urkunde nach der Ernennung zum außerplanmäßigen Professor im April 1948. | Fotografie, UAT
offener Briefwechsel Für und Wider. Bei Studierenden stieß Boeck nicht immer auf Offenheit gegenüber der Kunst nach 1900. In den Studentischen Blättern (Nr. 3, 15.06.1947) reagiert er auf Einwände gegen seine Vorlesung über moderne Malerei.
Boeck Gastdozent Louisville Von Württemberg nach Kentucky. Im Wintersemester 1964/65 war Boeck Gastprofessor an der University of Louisville. | The Courier-Journal, 04. Oktober 1964, S. 9.